Der BDe 4/4 6 – Einzug der Moderne bei den schweizerischen Schmalspurbahnen und Glanzzeit des schweizerischen Waggonbaus

Geschichte und Stellenwert des Fahrzeugs

Die Endstation der Solothurn – Zollikofen – Bern-Bahn befand sich bis 1965 auf dem Bahnhofplatz Bern vor dem Hotel Schweizerhof. Nach jeder Zugsankunft musste das Triebfahrzeug mitten im Autoverkehr umgesetzt werden. Mit der nach dem zweiten Weltkrieg einsetzenden Massenmotorisierung führte dies zu unhaltbaren Zuständen, weshalb die SZB damit begann, ihren gesamten Betrieb auf Pendelzüge umzustellen. Die Umsetzung dauerte im Wesentlichen von 1950 bis 1957. Die VBW hatte schon 1948 aus analogen Gründen erste Trieb- und Steuerwagen beschafft, ihr fehlte jedoch lange das Geld für eine vollständige Umstellung auf Pendelzüge, die erst 1974 Tatsache wurde.

Als erstes beschaffte die SZB für den Überlandverkehr bei SWS und MFO die BCFe 4/4 4 – 6, die 1950 in Betrieb kamen und parallel dazu bei SIG und MFO die Steuerwagen Ct 51 – 56, von denen die ersten drei ebenfalls 1950 in Betrieb kamen. Danach modernisierte die SZB die Triebwagen 1 bis 3. 1954 und 1955 folgte die Ablieferung der CFe 4/4 21 – 23 und der Ct 81 – 83 für den Vorortsverkehr. Ältere Zwischenwagen erhielten Vielfachsteuerleitungen eingebaut.

Mit der Einführung der stündlichen Eilzüge Solothurn – Bern ab 1974 nahm der Überlandverkehr einen enormen Aufschwung. Die Ablieferung von neuen Vorortszügen ab 1965 ermöglichte es, die 1955 bis 1957 gebauten Vororts-Fahrzeuge in den Eilzügen einzusetzen, dazu erfolgte 1974 bis 1982 die Ablieferung von sieben Steuerwagen ABt 201 - 207. Damit war es möglich, die Eilzüge in den Hauptverkehrszeiten fünf- oder sechsteilig mit zwei Triebwagen zu führen. Ein sechsteiliger Zug bestand aus zwei dreiteiligen Pendelzügen; ausserhalb der Hauptverkehrszeiten verkehrten die dreiteiligen Einheiten. Die 1992 erfolgte Ablieferung der ABe 4/8 65 – 72 «Prima» verdrängte die Fahrzeuge aus den 1950er-Jahren in Zusatzkurse in den Hauptverkehrszeiten. 2002 erhielten die Be 4/8 62 – 64 wie schon vorher die ABe 4/8 ebenfalls Mittelwagen, womit auf die klassischen Trieb- und Steuerwagen definitiv verzichtet werden konnte. Daraufhin wurde der BDe 4/4 6 im Jahr 2003 abgestellt und 2009 an den Tramverein Bern abgegeben.

Die in den 1950er-Jahren an die SZB gelieferten Fahrzeuge stellen die Übertragung der in den 1940er- und 1950er-Jahren in grosser Zahl an die SBB gelieferten Leichtstahlwagen auf Meterspurverhältnisse dar. Blättert man das 1972 erschienene Buch «Lokomotiven der Schweiz, Schmalspur-Triebfahrzeuge» von Peter Willen durch, fällt auf, wie verschieden die in dieser Periode gelieferten Fahrzeuge waren, und wie wenige davon «definitiv» museal erhalten sind. Derzeit trifft dies nur für den ABe 4/4 501 der RhB, den CFe 4/4 601 von La Traction (ex CJ) und den Be 4/4 131 von GFM Historique zu. Keines davon ist direkt mit dem BDe 4/4 6 vergleichbar. Weitere Fahrzeuge aus dieser Periode sind noch stark umgebaut im Betrieb (transN) oder als Dienstwagen in Verwendung (MOB).

Der BDe 4/4 6 steht für die rund 40 Jahre dauernde Epoche, in denen der Betrieb der SZB durch klassische Pendelzüge aus Triebwagen, Zwischenwagen und Steuerwagen geprägt war. Seit 2002 setzt der RBS nur noch Triebzüge und Tramwagen ein. Gleichzeitig ist er ein typischer Vertreter einer Glanzzeit des schweizerischen Waggonbaus, die sich durch zeitloses Design hervorhob.

Technik

Die BCFe 4/4 4 - 6 waren eine direkte Anwendung der von der SWS entwickelten Konstruktion der SBB-Leichtstahlwagen auf die Aufgabe, einen leistungsfähigen, aber dennoch leichten Meterspur-Triebwagen zu entwerfen. Äusserlich wiesen sie alle damals modernen und typischen Attribute der Leichtstahlwagen auf:

Weiteres Zeichen der Modernität war der neu eingeführte grün/crème Anstrich mit heller Ausstrahlung anstelle des von der ESB geerbten Dunkelgrüns.

Im Inneren gab es auch etwas altbacken wirkende Elemente, wie z.B. Fenstereinfassungen aus Holz und äusserst altmodische Sitze in der Polsterklasse. Bemerkenswert ist auch der komplizierte Aufbau der Innenverkleidung mit zahllosen kleinen und kleinsten hölzernen Stützelementen zwischen Blech und Verkleidungsplatten. Der handwerkliche Aufwand für deren Erstellung sowie bei Revisionen muss enorm gewesen sein.

Mit der Inbetriebnahme der BCFe 4/4 4 - 6 hielt auch die Druckluftbremse bei der SZB Einzug. Der SZB gelang es, bis 1958 den gesamten Fahrzeugpark von der Vakuum- auf die Druckluftbremse umzustellen.

Mit ihrer Länge von über 19 m gehörten die BCFe 4/4 4 - 6 zu den grössten vierachsigen Meterspurtriebwagen in der Schweiz, was den beim Bau der ESB verwendeten grosszügigen Normalien zu verdanken ist.

Die elektrische Ausrüstung entsprach der klassischen Bauweise mit elektropneumatischen Hüpfern und Anfahrwiderständen und wies eine leistungsfähige elektrische Bremse auf. Die eingebaute Leistung war gleich doppelt so hoch wie diejenige der Vorgänger 1 – 3 und 11 – 13, und die für damalige Begriffe einer Schmalspurbahn enorme Höchstgeschwindigkeit konnte zuerst mangels Sicherungsanlagen gar nicht gefahren werden.

Insgesamt zeugt die Konstruktion von der Weitsicht der Besteller und Erbauer, und die gut 50-jährige Einsatzdauer hat ihnen recht gegeben.

Wichtigste technische Daten

Baujahr / Erbauer
1950 SWS / MFO
Länge über Puffer
19,10 m
Breite
2,70 m
Tara
Ursprünglich 34,6 t, zuletzt 37,1 t
Sitzplätze
12 + 28
Stundenleistung
512 kW
Höchstgeschwindigkeit
75 km/h

Wichtigste Umbauten des BDe 4/4 6

1952
Spurkranzschmierung
1954/55
Ersatz der Holzbänke in der 3. Klasse durch Bänke mit leichter Polsterung
1958
Ersatz der Blattfedern durch Schraubenfedern
1980
Automatische Türsteuerung, Zugbeeinflussung ZSl90, Anstrich orange/crème
1981
Deklassierung des 1.-Klass-Abteils, Stilllegung Führerstand Seite Solothurn, Kabelkupplungen für ABt 203 – 207 Seite Solothurn

Bei seiner Ausrangierung wies der Wagen immer noch eine typische Innenausstattung der 1950er-Jahre auf, was ihn zur Erhaltung als historisches Fahrzeug prädestinierte.

Der Bahnhistorische Verein Solothurn – Bern (BVSB) und der BDe 4/4 6

Die Geschichte des RBS und seiner Vorgängerbahnen erstreckt sich inzwischen über mehr als 100 Jahre. Dennoch besteht heute noch die Chance, aber nicht mehr lange, eine repräsentative Sammlung von historischen Fahrzeugen zu erhalten, die alle relevanten Epochen und Bauarten repräsentieren. Der BVSB wurde 2016 gegründet, als die akute Gefahr bestand, dass wichtige Vertreter dieser potenziellen Sammlung verschrottet würden, und hat eine Anzahl historische Fahrzeuge geschützt unter Dach abgestellt.

Die Erhaltung von Eisenbahnfahrzeugen aus dem 1950er- und 1960er-Jahren ist durch die massive Verwendung von Asbest zur Isolation des Wagenkastens stark erschwert, weshalb nur sehr wenige Fahrzeuge aus dieser Epoche Eingang in museale Sammlungen finden. Dem Tramverein Bern gelang es, 2009 beim BDe 4/4 6 und beim Bt 222 eine Asbestsanierung durchführen zu lassen, bei der die Inneneinrichtung sorgfältig demontiert und dokumentiert wurde. Damit konnte die Basis für einen langfristigen Erhalt dieses Fahrzeugs geschaffen werden. Es steht nun die Aufgabe an, eine Möglichkeit für eine Präsentation dieser Vertreter einer Glanzzeit des schweizerischen Waggonbaus zu finden.

Quellen